Der Gebrauchtmotorradkauf -                               Eine Geschichte mit Happy End

Die Honda NTV 650   -- "Die ENTE"
Die Honda NTV 650 -- "Die ENTE"

 

Die Honda NTV 650 - „Die ENTE“

 

Da ist sie: Eine Honda NTV 650 Baujahr 95, in roter und schwarzer Farbe (schwarzer Tank), mit Kardanantrieb und Alufelgen. Sie hat gerade einmal knappe 22.000 km auf dem Buckel und sieht richtig gut und gepflegt aus. Eine nicht so selbstverständliche Angelegenheit, denn dadurch, dass die NTV sehr robust ist und kaum Reparaturen anfallen, sind die meisten dieser Motorräder ein wenig heruntergekommen, da sich viele Besitzer nicht pfleglich um sie kümmern.

 

Kommen wir nun zur Geschichte, wie ich zu dem Bike kam und was dieses Motorrad so auszeichnet:

Vor geraumer Zeit hatten wir unsere zwei Solomotorräder verkauft, etwas dazu gespart und uns dann ein Gespann (Motorrad mit Beiwagen) geholt. Gespann Fahren ist mit dem Fahren eines Solomotorrades nicht zu vergleichen. So wurde der Familienrat zusammengetrommelt und es wurde beschlossen, dass ich zusätzlich ein Solomotorrad bekommen sollte, damit ich das Gefühl für das Fahren mit einem „normalen“ Motorrad nicht verliere. Ich zögerte ehrlich gesagt ein wenig, weil ich die zusätzlichen Kosten scheute. Nachdem man mich doch überzeugt hatte, stimmte ich dem schließlich zu.

Wichtig für mich war nun: Das Motorrad sollte nicht mehr als 1.500,- € kosten, gut gepflegt und gewartet und nicht allzu reparaturanfällig sein, noch über eine ausreichende TÜV-Laufzeit verfügen und nicht zu weit entfernt von unserem Wohnort im Selfkant stehen.... Ja dann mal ran!

 

Im Internet bei diversen Kleinanzeigenanbietern stöberte und las ich, bis mir der Kopf rauchte. Die Auswahl war recht groß, aber bei näherer Betrachtung der ein oder anderen Beschreibung nebst Fotos folgte sehr schnell Ernüchterung. Zudem kam hinzu, dass bei geführten Telefonaten, die Verkäufer gar keinen Plan darüber hatten, wann zum Beispiel die letzte Inspektion gemacht worden war oder mir schlicht und ergreifend nur sehr spärliche Auskünfte über das zum Kauf stehende Motorrad geben konnten oder wollten. Manches Gespräch kam erst gar nicht zustande, denn viele meldeten sich nicht oder riefen nach netter Bekanntschaft mit ihrer Mailbox nicht zurück. Gar nicht so einfach das Ganze!

Was die Motorradauswahl anbetraf, war ich relativ flexibel. So schaute ich mir in der Nähe von Heinsberg an einem Spätnachmittag eine Suzuki DR 650 (eine Enduro) an. Als ich vor dem Motorrad stand, machte sich leichte Enttäuschung breit. Die Fotos stellten das Motorrad besser dar, als es war. Ungepflegt und ziemlich mitgenommen war sein Erscheinen. Am Motor war eine Delle, die mit einer Paste unprofessionell geflickt worden war. Als ich den Verkäufer darauf aufmerksam machte, zuckte er nur mit den Schultern und meinte, dass ihm dies noch gar nicht aufgefallen sei. „Sehr seltsam...“, dachte ich, „... das kann doch nicht sein!“ Ich verabschiedete und bedankte mich für seine Zeit und suchte schleunigst das Weite. „Du meine Güte, das kann ja noch heiter werden!“, spukte es in meinem Kopf herum.... Aber es war ja das erste Motorrad, das ich besichtigt hatte, also nur nicht aufgeben und weiterschauen.

Nun änderte ich meine Taktik - darauf hatte mich ein lieber Mensch während eines Gesprächs beim gemeinsamen Frühstücken gebracht - und so gab ich bei der Suche keine speziellen Marken oder Motorradbezeichnungen bzw. Namen mehr an, sondern suchte nach Motorradarten, wie beispielsweise Enduro, Naked Bike oder Chopper.

Dabei entdeckte ich zunächst eine Suzuki GR 650 X, eine Softchopper, im Kreis Wesel. Eine solche Maschine hatte ich mal vor Urzeiten besessen. Das war damals ein klasse Motorrad, die Sitzposition war für mich perfekt und sie ließ sich auch sehr gut und einfach fahren. Die angebotene „Suse“ war in einem klasse Zustand, zumindest, was die Fotos anbetraf, der Preis mehr als okay (1.100,- €), die Verkäuferin sehr nett und sie wusste Einiges zum Motorrad zu erzählen. Meine Fragen wurden sehr genau beantwortet. Das Ganze hatte nur einen Haken: Sie war sich des Verkaufs nicht mehr so sicher! Nach zwei Tagen rief sie mich an und teilte mir zu meinem Leidwesen mit, dass sie ihr Motorrad doch behalten wolle. Also ging die Suche wieder von Vorne los! „Nee, wat frustig!!!“, dachte ich mir, „Jetzt hatte ich etwas Tolles entdeckt und nun wollte die Verkäuferin nicht mehr verkaufen... Sachen gibt`s!“ Aber na ja, ich konnte sie schon ein wenig verstehen, denn sie war, wie sie mir erklärte, auch seit geraumer Zeit auf „Mopedsuche“ und war auf der ganzen Linie nur enttäuscht worden. Eine Pleite nach der anderen. Und so hatte sie dann schlussendlich aufgegeben.

Neeee, aufgeben wollte ich da noch nicht, aber ein wenig deprimierend war das schon!

Im Wirrwarr der vielen Angebote war es nicht leicht, etwas Passendes zu finden. Vor allem tummelten sich unheimlich viele darunter, die ihr Bike zum „Schlachten“ anboten. Man sah ein schönes Motorrad auf den Fotos und dann hieß es ….:“Nur in Teilen zu verkaufen“.

Weiter auf meiner „internetgalaktischen“ Reise durch diverse Verkaufsportale wurde ich auf eine Honda CX 500 in der Nähe von Linnich aufmerksam. Der Preis stimmte schon mal. Auf den Fotos war sie nicht so toll dargestellt (aber durch ein kleines Pflegeprogramm bestimmt wieder „hinzukriegen“), und so wagte ich ein Telefonat. Der Mann war ganz nett und hilfsbereit und so vereinbarte ich einen Besichtigungstermin. Vor Ort stellte ich fest: Die Maschine sprang und sprang nicht an. Und, auf den Fotos nicht richtig zu erkennen, hatte der Besitzer die Fußrasten verlegt. Um die Maschine fahren zu können, hätte ich meine Anatomie verändern müssen, denn ich hätte meine Beine und Füße irgendwie um den Motor biegen müssen, um halbwegs die Gänge und Bremse bedienen zu können oder sie um mindestens 10-20 cm verlängern müssen. Eine Inspektion hatte das Motorrad seit mehreren Jahren nicht erhalten, geschweige eine Werkstatt von innen zu sehen bekommen. Fazit: WIEDER NIX! Das kann doch wirklich nicht wahr sein! Auch wenn das erst meine zweite Besichtigung war, machte sich doch langsam ein Gefühl des Zweifelns breit, ob ich überhaupt so ein Motorrad mit oben angegebenen Punkten finden würde....

 

„Na ja, so leicht lassen wir uns aber nicht unterkriegen“, sprach es in mir und suchte weiter.

 

Es folgte - gelinde gesagt - ein sehr unbefriedigender Termin in der Nähe von Düren, wo ich mir eine Suzuki GSE 500 anschaute. Und? DER ABSOLUTE HORROR! Das Garagentor öffnete sich und ich ganz gespannt auf das Motorrad sah nur noch Chaos. Das arme Teil stand verloren inmitten von unzähligen Klamotten. Plastikgartenstühle, Kartons in allen denkbaren Größen und ein alter ausgedienter Eichentisch aus den 80er Jahren versperrten den Weg und es war schier unmöglich zum Motorrad zu gelangen, ohne diese Barrieren zu überwinden. Zu alldem stapelten sich weitere Kartons auf besagtem Tisch. Ich machte mich so dünn wie möglich und hielt kurz die Luft an, um mir einen kleinen Weg zu diesem Moped freizuschaufeln. Im hinteren Teil der Garage - eigentlich ein Name, den dieser Raum gar nicht mehr verdiente, denn es war hier so, als ob jemand eine Bombe hatte platzen lassen - standen noch diverse Kleinmöbel, Kisten, Fahrräder, Decken aus einem anderen Zeitalter und ein altgedienter Rasenmäher, der schon bessere Tage erlebt hatte. Es war der reinste Entrümpelungsladen! Nun zur Maschine: An eine Probefahrt war gar nicht zu denken, denn bei dem ganzen Zeug, was vor ihr stand, hätten wir zunächst tatsächlich einen Umzugstrupp bestellen müssen. Den Motor konnte ich auch nicht starten, denn man hatte vorsichtshalber, wegen der längeren Standzeit die Batterie ausgebaut. UND der Verkäufer konnte in diesem Moment auch gar nicht sagen, wo sie ist. Kein Wunder! So, wie es dort aussah, hätte ich bei dieser Unordnung auch nicht mehr gewusst, wo oben und unten ist! Das absolute Grauen! Eigentlich eine UNVERSCHÄMTHEIT!!! Da lässt mich jemand vom Selfkant hierher kommen und was sich mir bietet, ist.... Ja was eigentlich? GAR NICHTS! Ein in einer Garage der Unordnung verlorenes Motorrad, das sein Dasein inmitten von Gerümpel und Chaos fristet!

„Oh, mein Gott, wie sollte das nur weitergehen? Ich will doch nur ein ganz normales Moped … ist das zu viel verlangt????“, spukte es in meinem Gehirn. Aber es nutzte ja alles nichts, es ist wie es ist: Also weitersuchen....

 

Wie oft habe ich mich in dieser Zeit gefragt, was wohl in den Köpfen mancher Leute eigentlich vorgeht, wenn sie Dinge zum Verkauf anbieten und bei manchen habe ich mich gefragt, wie sie überhaupt zu ihren Preisvorstellungen kommen. Dabei durfte ich jemanden kennenlernen, der nicht einen Cent von seinem Verkaufsangebot abrücken wollte, obwohl das Motorrad seit geraumer Zeit in der Garage regelrecht vor sich hinvegetierte und nur darauf wartete, endlich aus diesem Betongefängnis befreit zu werden und frische Luft zu schnappen! Das war dem Verkäufer völlig egal. Er meinte nur dazu: „Es wird einen Morgen geben, in dem ein Depp aufsteht und mir dieses Motorrad zu genau dem Preis abkaufen wird!“ Um solche Menschen - ehrlich gesagt – mache ich doch dann lieber einen weiten Bogen.

Beim weiteren Stöbern im World Wide Web stieß ich dann auf einen Bericht über die Honda NTV 650. Stimmt! Die gibt`s ja auch noch! Zuverlässig ist der Motor allemal und da sie bis in die 90er Jahre gebaut wurde, war die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, einige Exemplare zu einem guten Preis zu finden. Also suchte ich nun nach einer „Ente“. In der Nähe von Jülich bot jemand eine an. Die gefiel mir und so rief ich an und vereinbarte einen Besichtigungstermin. Da stand sie: In Rot und mit schwarzem Tank und einer kleinen Scheibe. Sie sah toll aus und war sehr gut gepflegt. Ich konnte mein Glück kaum fassen! Sie hatte gerade neuen TÜV erhalten. Zuvor hatte der Verkäufer noch eine ordentliche Inspektion durchführen und dabei die Bremsbeläge und Reifen wechseln lassen. Für 1.450,- € sollte sie verkauft werden und ich erhielte noch einen Nachlass von 50,- € versprach mir der Verkäufer, wenn ich mich entschließen würde, sie zu kaufen. Mehr war nicht „drin“, denn er hatte vor dem Verkauf ja bereits einige Euros in die Maschine gesteckt. Nach all den Abenteuern, die ich erlebt hatte, war das für mich mehr als akzeptabel. Ich machte eine Probefahrt. Als ich davon zurückkam, stand für mich fest: Das wird meine! Und so kam das Motorrad mit all den oben aufgeführten Punkten zur Frau! Glück gehabt!

 

Seit ihrer Geburt 1988 in die Motorradwelt hat die Honda NTV 650 einige Veränderungen über sich ergehen lassen müssen:

Mit dem Schriftzug „REVERE“, der später bei neueren Modellen (ab 1993/94) dem Schriftzug „NTV“ weichen musste, kam sie heraus. Nach und nach wurde das Federbein hinten, die Gabel, sowie die Getriebeübersetzung verändert. Auch die Sitzbank wurde besser gepolstert. Besaß sie vorher einen Stummellenker, so wurde dieser durch einen Rohrlenker getauscht. Der Auspuff wurde ab den Jahrgängen 95 verlängert und aufgrund neuer Abgas- und Schallschutzrichtlinien eine magere Bedüsung vorgenommen.

Die Nennleistung von vormals 60 PS wurde auf 53 PS (bei den letzten Modellen von 1995-1997) herabgesetzt.

 

Meine „ENTE“ ist aus dem Baujahr 1995 und zählt somit zu den letzten ihrer Art. Auch ich habe einige Veränderungen an ihr vornehmen lassen: Da sie zu der Generation gehört, die einen Rohrlenker besitzt, wurde eine Lenkererhöhung für eine bessere Sitzposition eingebaut. Durch eine Lagerauflösung bekam ich günstig im Internet zwei Sturzpads. Da ihre Spiegel nicht mehr so ansehnlich waren, habe ich sie durch neue vibrationsunempfindlichere getauscht. Die Richtungsanzeiger, die im Laufe der Zeit eher an „hängende Flügel“ erinnerten, wichen neuen LED-Blinkern. Der Sitz erhielt einen rutschfesten Bezug. Für den Fall, dass sie mal umkippen sollte, wurden unauffällige Sturzpads montiert. Der Einbau einer 12V Bordsteckdose komplettierte die Veränderungsriege und verschafft mir einmal die Annehmlichkeit, die Batterie während längerer Standzeit (z.B. im Winter) an einen Batteriecharger (Aufladegerät) zu laden und zu pflegen und während der Fahrt mein Navi dort anzuschließen.

Die Honda NTV 650 ist ein zuverlässiges und durch ihren Kardanantrieb wartungsarmes Motorrad. Der Motor ist bekannt dafür, dass er auch jenseits der 100.000 km seine Arbeit wie ein Uhrwerk verrichtet. Werkstattbesuche kennt die „ENTE“ nicht, nur für normale Inspektionen und zum Austausch von Verschleißteilen sieht sie sie von innen. Ersatzteile zu erhalten, ist gar kein Problem, zumal der Motor in der Honda Transalp, in der Honda Africa Twin und auch in der Honda Deauville verbaut wurde. Hondahändler kennen sie dadurch in- und auswendig und notfalls würden sie auch die Inspektion im Schlaf durchführen!

Ich habe mich wohl für uns für das richtige Motorrad entschieden!